Dr. Wolfgang Eckelt im Gespräch mit Stephan Winkelmann
Automobili Lamborghini S.p.A

Zur blauen Stunde

Stephan Winkelmann, Präsident und CEO, Automobili Lamborghini S.p.A

Die „blaue Stunde“ ist der besondere Teil eines ausklingenden Tages. Für jeden sichtbar, aber nur wenige bemerken sie. Wer sie aber bemerkt, wird zum Genießer. Und sie ist wie geschaffen für den Ausklang einer Reise durch die Emilia-Romagna. Einer Landschaft der Leidenschaft, Kultur und von einer bezaubernden Schönheit. Sie ist der Mittelpunkt einer Region, wo Essen und Trinken zum Lebensgefühl gehören, ebenso wie Automobile, die die Region so stark geprägt haben. Es ist die Heimat von Ferrari, Maserati, Alfa Romeo und – Lamborghini. Und hier in Bologna, der italienischen Universitätsstadt und Hauptstadt der Region Emilia-Romagna treffe ich mich mit Stephan Winkelmann, Präsident von Lamborghini. Sitze mit ihm in einem weißen Lamborghini Aventador Roadster. Was für eine Farbe, was für ein Auto und was für eine Stadt – sind meine ersten Gedanken, als wir uns auf den Weg zu einer Ausfahrt machen. Und ich stelle erfreut fest, so unschuldig wie die Farbe präsentiert sich der offene Lamborghini nicht. Es ist deutlich zu spüren, dass unter der faszinierenden Karosserie eine der innovativsten Spitzentechnologien steckt. Auch wenn erst vor wenigen Monaten hier ein Corso der schönsten Lamborghinis zum 50-jährigen Firmenjubiläum startete, bei solch einem Fahrzeug schaut keiner weg und kann keiner weghören. Stärke zeigend ohne übertrieben muskulös zu wirken – der feurige Antritt des Lamborghini Aventador Roadster gefällt mir gut. Und ich bin auch der Meinung, dieser passt hervorragend zu meinem Gesprächspartner. Dennoch schade, dass Sie ihn jetzt nicht hören können …
Stephan Winkelmann ist seit 2005 Präsident und CEO des italienischen Sportwagenherstellers Automobili Lamborghini S.p.A und repräsentiert, abseits des Gewöhnlichen, wie kein anderer diese Sportwagenschmiede. Und wirkt dabei noch so entspannt und gleichzeitig elegant, wie es aus unserer Sicht wohl nur Italiener sein können. Mit seinen handgenähten Anzügen, eleganten Hemden und Krawatten sowie wohlgestylter Unordnung im Haar braucht er sich für mediterranen Habitus nicht zu verstellen. Doch stopp: Winkelmann ist 1964 in Berlin geboren. Aber, wie er lachend widerspricht, im Alter von einem Jahr nach Rom emigriert, dort aufgewachsen und mit der deutschen wie der italienischen Mentalität bestens vertraut. Und als gelernter Italiener hat seine Automobilkarriere viel mit Italien zu tun. Darüber und über die Faszination von Geschwindigkeit, Luxus und ewige Rivalitäten spreche ich mit ihm hier in Bologna.
Dr. Wolfgang Eckelt im Gespräch mit Stephan Winkelmann
Dr. Wolfgang Eckelt im Gespräch mit Stephan Winkelmann

Wir Beide kommen aus einem Zeitalter, wo ein Automobil für Unabhängigkeit und Freiheit stand und Generationen prägte. Hybrid, Elektro, Vernunft und selbststeuernde Fahrzeuge heizen die Diskussion um die (Auto)Mobilität der Zukunft an. Da stellt sich bei all der erlebten Fahrdynamik die Frage, was macht einen Lamborghini so begehrenswert und die Marke dauerhaft faszinierend? Lamborghinis sind moderne Kunstwerke und vielleicht sogar eine letzte Rettung vor der technischen Entzauberung der Natur: Denn wo Tausende von schallisolierten, klimatisierten Großraumlimousinen die Umwelt ausblenden, hält ein offener Lamborghini die Naturgewalt als erhabene Erfahrung im Bewusstsein: Nirgendwo ist Mobilität so beeindruckend zu erleben wie in einem italienischen Sportwagen. Wir sind ein Unternehmen voller Leidenschaft, ungestümer Ideen und dabei extrem zukunftsgerichtet. Eine Marke, die immer noch Konventionen sprengt und die Unmöglichkeit von Schönheit, Qualität sowie Faszination zur Einheit bringt. Gegen alle Widerstände. Kompromisslos.

Ich denke, dass solch ein Traum nie zurückkehren wird, ich malte mir die Hände und das Gesicht blau, dann wurde ich plötzlich vom Wind mitgerissen und ich begann, in den unendlichen Himmel zu fliegen.

Lamborghini hat eine ganz besondere Geschichte. So hat der Firmengründer Ferruccio Lamborghini ja damit begonnen, Sportwagen zu bauen, weil er mit seinem Ferrari unzufrieden war. Das Ergebnis dieses Disputs war der Beginn einer Sportwagen-Dynastie, die sich vorallem ein Ziel setzte: Ferrari zu schlagen. Darf man fragen, wie ihre Beziehung zu den Kollegen und Nachbarn von Ferrari heute ist? Ferrari, aber auch Maserati und Lamborghini bildeten jahrzehntelang eine Art italienisches Bermudadreieck, in dem stürmische Gefechte um den schönsten, stärksten und schnellsten Sportwagen stattfanden.

Daraus hervorgegangen sind mitunter die wohl schönsten und schnellsten Sportwagen aller Zeiten. Und bei all der historischen Konkurrenz haben wir eine sehr kollegiale Beziehung zueinander, aber auch eine sehr wettbewerbsorientierte und das ist ganz im Sinne des Erfinders.

Wie schaffen sie die Gratwanderung zwischen den Ansprüchen der Marke, den Einflüssen aktueller Designtrends und der Umsetzung neuer, vielleicht sogar radikaler Ideen? Die Historie der Marke und aktuellste Technologie, die in jedem unserer Fahrzeuge steckt, sind die Basis des Designs. Denn Design ist das Erste, was man wahrnimmt. Und mit unserem radikalen Design vermitteln wir den Kunden, was er erleben kann, wenn er einen Lamborghini bewegt. Das sorgt für Authentizität.

Dr. Wolfgang Eckelt im Gespräch mit Stephan Winkelmann
Dr. Wolfgang Eckelt im Gespräch mit Stephan Winkelmann

Dabei hat Lamborghini einen Quantensprung gemacht im Sinne von Image und Bekanntheit der Marke. Worin ist dies begründet? Wir haben uns auf den 50 Jahren Tradition nicht ausgeruht. Bei Lamborghini spürt man wieder Innovationsgeist gepaart mit Zuverlässigkeit und Servicebewusstsein. Es ist uns aber auch nichts geschenkt worden. So gehört es zum Selbstverständnis von Lamborghini die Führung zu übernehmen, sowohl im Design wie technologisch.

Die internationale Gemeinde der Lamborghini Besitzer und Fahrer: Kennen sie sich alle untereinander, hält man Kontakt miteinander? In den letzten Jahren hat sich die Szene vertieft und weiter vernetzt. Viele kennt man und ist auch untereinander befreundet. Darunter gibt es einige, die ihre Leidenschaft mit der „Lamborghini Blancpain Super Trofeo“ nach außen tragen, aber auch ganz viele, die ihren Lamborghini ganz diskret behandeln, das ist dann nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Ein Lamborghini ist und bleibt ein reinrassiger Supersportwagen, man gönnt sich ihn meist als Viert- oder Fünftwagen. Viele fahren damit nicht mehr als 5.000 Kilometer im Jahr. Wir haben aber auch Kunden, die sich riesige Garagen leisten, in denen 80 Lamborghinis stehen.

Denken Sie, dass es heute auch für Luxusmarken immer schwieriger wird? Das hängt davon ab, was ihr Ziel ist. Wenn es das Ziel ist, eine Marke für den Massenmarkt zu kreieren, dann ist das eine Geschichte. Lamborghini hat eine grundlegend andere Einstellung. Mein Anspruch geht dabei weit über die Kundenerwartung hinaus. Mein Ziel ist es, für etwas ganz Besonderes einzustehen. Bei Lamborghini wollen wir etwas anbieten, das neu, einzigartig und begehrenswert ist. Unser Schlüssel zum Erfolg ist, eine Luxusmarke zu sein.

Apropos etwas ganz Besonderes. Wir sitzen hier in der Altstadt von Bologna. Ich bin das erste Mal hier und bin überrascht, wie groß die Stadt mit all ihren Gassen, versteckten Kirchen und Palazzi ist. Was ist für Sie das Besondere dieser Stadt? Ich erlebe Bologna immer wieder anders. Auf der einen Seite voller Geschichte und Tradition, andererseits durch seine vielen Studenten auch alternativ, jung und vital. Hier wird typisch italienisches Dolce Vita zelebriert. Das ist für uns als Hersteller auch eminent wichtig. Denn neben der Attraktivität als Arbeitgeber ist es auch wesentlich, dass unsere Mitarbeiter ein stimmiges und angenehmes Lebensumfeld vorfinden.

Dr. Wolfgang Eckelt im Gespräch mit Stephan Winkelmann

Woher beziehen Sie Ihre Ideen, wodurch lassen Sie sich inspirieren? Mein „Stilbewusstsein“ war schon frühzeitig stark ausgeprägt. Und ich gehe mit offenen Augen durch die Welt. Reisen und unterschiedliche Kulturen, Architektur, Design oder Mode inspirieren mich. Ebenso der Austausch mit meinen Mitarbeitern oder ein gutes Essen. Meine Arbeitstage sind sehr lang, aber wenn ich den Tag bei einem Besuch des Marktes oder mit einem guten Essen bei einem Glas Wein ausklingen lasse, finde ich das auch sehr inspirierend.

Doch alle Träume verblassen im Morgengrauen, denn während des Sonnenuntergangs nimmt der Mond sie mit sich fort, doch ich träume weiter …

Schlussendlich kann ich festhalten, dass eine Reise in einem Lamborghini immer eine besondere Qualität hat. Eine Reise, die mit einem Funken der Begeisterung beginnt, das ein Feuer entfacht, ein Gefühl der Leidenschaft, das sicher etwas zutiefst Italienisches ist. Abschließend überraschte mich beim Espresso dennoch die Antwort auf meine letzte Frage an Stephan Winkelmann, wann er denn zum letzten Mal einen Lamborghini Traktor gefahren sei: „Noch nie“.

Dr. Wolfgang Eckelt, High Performance | Top Company Guide