Dr. Wolfgang K. Eckelt
Im Dialog mit Dr. Wolfgang K. Eckelt + Top Company Guide
Dr. Wolfgang K. Eckelt ist Buchautor, Executive Coach und Top-Headhunter.
Als LinkedIn Voice äußert er sich zu Themen wie: #career #branding #leadership #management #businessethics.
Warum? Was kann KI im Recruiting denn nicht?
Zum einen können Sie mit KI vor allem das sogenannte Massengeschäft beschleunigen. Tausend Bauarbeiter für ein Großprojekt oder fünfhundert Pflegekräfte für eine neue Klinik fischt man mit einer KI-gestützten Suche schneller aus den üblichen Datenbanken als von Hand. Bei hochkarätigen Suchaufträgen funktioniert das anders. Sie können KI vielleicht wie einen Magneten auf internationale Konferenzprogramme und Fachpublikationen setzen und so die eine oder andere Nadel aus dem Heuhaufen ziehen, an die vorher noch niemand gedacht hat.
Doch als Headhunter spielt man immer auch Sherlock: Man muss unauffällig herausfinden, woher jemand kommt und wohin er will, wie jemand tickt, wen genau jemand schon kennt, mit wem jemand kann und mit wem nicht. Manchmal muss man auch um die Ecke denken und über Bande spielen … Das geht nur mit viel Wissen, Erfahrung und einem großen Netzwerk von Bekannten und Informanten. KI kann das nicht. KI wirkt auf Menschen intelligent, ist es aber nicht. Ihr fehlt der gesamte Bereich der emotionalen Intelligenz. Sie ist eine Maschine! Ihr fehlt die menschliche Intuition. Eine KI wird nie ein tiefes Verständnis für die Psychologie der Entscheider in einem Unternehmen entwickeln. Sie wird nie die verborgenen Regeln der Unternehmenskultur verstehen. Vor allem wird sie nie das tiefe Vertrauen eines Geschäftspartners gewinnen können, wie es nur in einer 25-jährigen Zusammenarbeit wachsen kann. Und eine KI wird nie verstehen, dass ein Überflieger aus Florida eher nicht für einen 40-Stunden-Job nach Olpe zieht. Aber genau dieses Wissen ist für den Rekrutierungsprozess entscheidend.
Und dann kommen Sie ins Spiel?
So ist es. Ich komme dann ins Spiel, wenn es um die weltweite Besetzung ganz spezieller Positionen geht. Das kann man sich so vorstellen wie einen Spielervermittler im Fußball: Ich stelle den persönlichen Kontakt zu den besten Profis her – und wenn ich dafür spontan zum Burgeressen nach Seattle fliegen muss, um einem High Performer einen neuen Job schmackhaft zu machen.
Anders als im Fußball habe ich zusätzlich Arbeit mit dem Arbeitgeber. Manche hängen mental noch in einer glorreichen Vergangenheit fest, in der es genügte, eine auf Hochglanz polierte »Employer Brand« vor sich herzutragen. Das interessiert die Top-Kandidaten heute nur noch am Rande …
Wenn nicht die Arbeitgebermarke – was interessiert Kandidaten stattdessen?
Ihre eigene Marke. Ihre Personal Brand. Bewerber wollen heute wissen, wie ein neuer Arbeitgeber zum Wert ihrer eigenen Marke beiträgt. Sie wollen Purpose. Sie wollen ihren Hund mitbringen. Sie wollen mittwochs trainieren. Und vor allem wollen sie nicht nach Olpe.
Was haben Sie gegen Olpe?
Gar nichts! Es ist sehr schön da. Aber für Menschen, die vorher in Tokio, Dubai oder San Francisco Karriere gemacht haben, wirkt das Städtchen etwas übersichtlich. Deshalb muss ich mit den hiesigen Arbeitgebern darüber sprechen, dass hybrides Arbeiten auch auf C-Level eine sinnvolle Option ist. Das ist tatsächlich immer noch nicht überall angekommen.
Welche Fehler machen Arbeitgeber außerdem?
Sie sind zu langsam. Wenn ich Anfang März die perfekte Kandidatin gefunden habe, dann wartet sie nicht bis Ende September, um eventuell mit dem CEO ein Gespräch zu führen. Das ist ein völlig falsches Rollenverständnis. Es geht heute nicht mehr darum, dass Kandidaten den CEO hofieren, es läuft genau umgekehrt: Die Unternehmen müssen nach den Regeln der Kandidaten spielen, sie müssen schnell und verbindlich sein. Die besten Unternehmen der Zukunft werden diejenigen sein, die am schnellsten die besten Leute an sich binden können.
Und eine KI wird nie verstehen, dass ein Überflieger aus Florida eher nicht für einen 40-Stunden-Job nach Olpe zieht. Aber genau dieses Wissen ist für den Rekrutierungsprozess entscheidend.
Warum genau funktioniert die Kandidaten-Ansprache auf C-Level nicht mit KI? Gerade die jüngeren sind doch den Umgang mit KI gewöhnt, oder nicht?
Weil die automatisierte Ansprache von C-Level-Kandidaten ungefähr so effektiv ist wie Rheumadecken-Spam im Posteingang. Niemand reagiert darauf. Headhunter bringen etwas mit, was KI nicht kann – Empathie und ein tiefes Verständnis für menschliches Verhalten. Bei der Auswahl eines C-Level-Executives geht es nicht nur um den Abgleich von Fähigkeiten, sondern auch um das Verständnis von Führungsqualitäten, Unternehmenspassung und langfristige Strategien von Menschen und Unternehmen. Darüber hinaus ist mein eigenes Netzwerk und sind meine persönlichen Beziehungen entscheidend, um Kandidaten zu gewinnen, die gerade nicht aktiv auf Stellensuche sind. Das kann KI nicht.
Wie sieht die Situation außerhalb der C-Levels aus? Zum Beispiel in den Aufsichtsräten?
Traditionell wechselten ausscheidende CEOs in den Aufsichtsrat oder Beirat eines Unternehmens, es war wie ein unvermeidlicher Weg. Erst in der jüngeren Vergangenheit wurden C-Level-Persönlichkeiten bewusst nicht in das Gremium gewählt – weil sie aus dieser Position heraus ihre bisherige Strategie fortgesetzt und damit dem Unternehmen geschadet hätten.
Dennoch ist der Wechsel vom CEO-Sessel in den Aufsichtsrat nach wie vor häufig. Die Folge sind stark überalterte Aufsichtsräte, vor allem in Familienunternehmen. Dort sitzen dann 70-jährige Steuerberater und 80-jährige Ingenieure mit prägenden Erfahrungen aus den Wirtschaftswunderjahren, wenig Verständnis für aktuelle Entwicklungen und noch weniger für das, was jetzt auf den Wirtschaftsstandort Deutschland und seine Unternehmen zukommt. Wo Aufsichtsräte als Abklingbecken für Best Buddies missverstanden werden, kommen wir nicht weiter. Wir müssen Aufsichtsräte mit jüngeren Talenten besetzen, diese gezielt auswählen und vor allem professionell ausbilden.
Warum passiert das nicht?
Neben gewissen Beharrungskräften älterer Jahrgänge scheint der Standort Deutschland nicht sehr attraktiv zu sein. Die Zeitenwende wird auf vielen Ebenen verschlafen – auch in den Personalabteilungen der Wirtschaft.
Dann besteht die Gefahr, dass KI-Systeme, die mit falschen oder verzerrten Daten trainiert werden, alte Vorurteile verstärken – vor allem gegenüber Menschen, die zufällig nicht weiß, männlich und 35 Jahre alt sind.
Kann KI helfen, die Zeitenwende zu schaffen?
KI allein löst nichts. Es braucht Menschen, die KI strategisch richtig einsetzen. Studien zeigen, dass Unternehmen beispielsweise KI überschätzen: Sie erwarten, dass KI bessere Ergebnisse liefert, als sie tatsächlich kann, und wundern sich dann über Fehlentscheidungen. Dann besteht die Gefahr, dass KI-Systeme, die mit falschen oder verzerrten Daten trainiert werden, alte Vorurteile verstärken – vor allem gegenüber Menschen, die zufällig nicht weiß, männlich und 35 Jahre alt sind. KI hat auch nach wie vor Schwierigkeiten, Aspekte wie Persönlichkeit und Teamdynamik einzuschätzen.
Wird KI das jemals lernen können?
Perspektivisch können mithilfe von Sprachanalysetechnologien nicht nur fachliche Qualifikationen, sondern auch Persönlichkeitsmerkmale und Führungsstile von Bewerbern genauer analysiert werden. Damit öffnet sich aber auch eine Büchse der Pandora mit Scams, Fake-Videos, Fake-Stimmen, Fake-Profilen und so weiter. Um Fake von real zu unterscheiden, braucht es wieder Headhunter …
Was heißt das alles für die Zukunft des C-Level-Recruitings?
KI wird Headhunter nicht ersetzen, sondern unsere Fähigkeiten erweitern, Prozesse effizienter gestalten und uns helfen, noch tiefere Einblicke in die Eignung von Kandidaten zu gewinnen. Die menschliche Note bleibt jedoch unverzichtbar, insbesondere wenn es um die persönliche Ansprache geht. Die Rolle von uns Headhuntern wird also nicht weniger wichtig, sondern eher strategisch und beratend. Die Zukunft wird – wie in anderen Berufen und Branchen auch – eine Symbiose von Mensch und Maschine sein.
Was wäre Ihr Rat an Unternehmen, die überlegen, KI in ihrem Recruiting einzusetzen?
Seien Sie offen für KI. Doch vergessen Sie nie, dass insbesondere für innovative und kontraintuitive Entscheidungen technologische Unterstützung und menschliches Urteilsvermögen zusammentreffen müssen. Nutzen Sie KI als Werkzeug, nicht als Ersatz. Die Verantwortung für eine Personalentscheidung wird immer bei einem Menschen liegen – das lässt sich nicht delegieren. Und natürlich sollten Sie immer einen erfahrenen Headhunter hinzuziehen, um die Feinheiten zu verstehen und die Fallstricke zu sehen, die nur ein Mensch wirklich beurteilen kann.
Was wäre, wenn eine KI entscheidet, dass der ideale Kandidat für eine Führungsposition in der Automobilindustrie ein Roboter ist?
Ich würde herausfinden, wer diesen Roboter programmiert hat, und diese Person dringend kennenlernen wollen.