Dr. Wolfgang Eckelt im Gespräch mit Dieter Zetsche | Top Company Guide

Im Dialog mit Dr. Dieter Zetsche

Vorsitzender des Vorstands der Daimler AG, Leiter Mercedes-Benz Cars

Herr Dr. Zetsche, der aktuelle Werbe-Claim von Mercedes-Benz verspricht „Das Beste oder nichts.“ Welchen Anspruch leiten Sie persönlich daraus für das gesamte Unternehmen ab?
„Das Beste oder nichts.“ war das Motto unseres Unternehmensgründers Gottlieb Daimler. Er stand für den Anspruch, sich nur mit dem „Besten“ zufrieden zu geben – und das hat sich tief in die Gene unseres Unternehmens eingegraben: Wenn wir uns bei Daimler einem Wettbewerb stellen, wollen wir ganz nach vorne. Wo wir die Nummer eins sind, wollen wir
es bleiben; wo wir es nicht sind, wollen wir es werden. Letztlich geht es also um eine Haltung – und sie gehört zu Daimler wie der Stern zum Mercedes. Nehmen Sie beispielhaft unser Formel-1-Team. Da waren wir nicht vorne, als wir 2010 mit einem eigenen Werksteam an den Start gegangen sind. Aber wir hatten von Anfang an den Anspruch, an die Spitze zu kommen – dafür haben wir gearbeitet. Konzentriert und beharrlich. 2014 haben wir alles gewonnen, was es in der Formel 1 zu gewinnen gibt. Eine typische Daimler-Geschichte: hochmotivierend für die besten Köpfe der Branche.

Daimler hat 2014 in allen Geschäftsfeldern Ergebnisse über Vorjahresniveau erzielt. Was waren die Hauptgründe für diese positive Entwicklung?
Der Hauptgrund war und ist, dass unsere Strategie greift: Unsere neuen Modelle kommen beim Kunden hervorragend an – und zwar über die gesamte Bandbreite unseres Modellspektrums. Wir binden unsere Stammkunden und erschließen gleichzeitig neue Kundengruppen. Wir werden jünger und internationaler. Gleichzeitig wirken unsere Effizienzprogramme, unsere Investitionen tragen Früchte. Es kommt also einiges zusammen, aber im Kern haben alle diese Aspekte ein- und
dieselbe Ursache: Unsere Strategie funktioniert. Jetzt macht sich bezahlt, dass wir auch in diesen Phasen an ihr festgehalten haben, in denen die Erfolge noch nicht so offensichtlich waren.

Welche konkreten Schritte sind jetzt angesagt, um Daimler weiterhin auf der Überholspur zu halten und weltgrößter Hersteller von Premiumautos zu werden?
Wir werden 2015 unser Angebot im weltweiten Wachstumssegment der SUVs nahezu komplett erneuern und erweitern. Hinzu kommt ein neues, sehr sportliches Coupé der C-Klasse. Auch unsere Performance-Sparte AMG werden wir weiter stärken: mit dem neuen GT, aber auch mit der neuen Produktlinie der Sportmodelle, die für zusätzliches Wachstum sorgen wird. Den neuen smart fortwo bringen wir 2015 nach China und Amerika. Und über all diese Produkte hinweg gilt: Wir wollen unsere Führungsposition bei Schlüsselthemen wie Effizienz, Sicherheit und Kon-nektivität weiter ausbauen: sauber, sicher, vernetzt – das ist der Dreiklang, um den es dabei geht; bei Pkw genauso wie bei Nutzfahrzeugen.

Wenn Sie auf die Weltkarte blicken, wo liegen mittelfristig die für Daimler interessantesten Märkte?
China wird weiter an Bedeutung gewinnen: als Absatzmarkt und als Produktionsstandort. Auch traditionelle Märkte wie Deutschland, Japan oder die USA bleiben wichtig. Für Daimler Trucks liegen die Hauptmärkte mittelfristig in Europa, der NAFTA-Region und Lateinamerika; in Asien sind China, Indien und Indonesien im Fokus.

Dieter Zetsche
Dr. Wolfgang Eckelt im Gespräch mit Dieter Zetsche

In Ihrer Wachstumsstrategie ist die Entwicklung neuer Mobilitätskonzepte und Dienstleistungen fest verankert. Was haben Sie da in der Pipeline?
Neben selbstentwickelten Geschäften wie car2go, car2go black und moovel werden wir weiter gezielt auf Partnerschaften und Beteiligungen an intelligenten Mobilitätslösungen setzen. Denn fest steht: Mobilität ist zunehmend integriert und vernetzt. Nicht von ungefähr gehört mit car2go der größte Carsharing-Anbieter der Welt zu unserem Portfolio: Gerade konnten wir den millionsten Kunden begrüßen – und das Potenzial ist noch lange nicht erschöpft. Gleiches gilt für unsere Mobilitäts-App moovel: Auch dort rechnen wir mit weiterem Wachstum – zumal wir weitere Mobilitätsdienste integrieren und Funktionen wie Bezahlung und Ticketing hinzufügen werden. Last, not least: unsere neue Servicemarke „Mercedes me“. Dort geht’s nicht um Carsharing, sondern um immer komfortablere Dienstleistungen für den vernetzten Mercedes-Kunden: sowohl in der digitalen Welt als auch im direkten Kundenerleben.

Die automobile Wertschöpfung verlagert sich zusehends in Richtung Elektrik/Elektronik  und Software. Was kann ein klassisches Fertigungsunternehmen wie Daimler tun, um im Fahrersitz zu bleiben?
Offen bleiben für Neues. Veränderungen nicht bekämpfen, sondern gestalten – am besten von der Spitze weg. Man könnte auch schlicht sagen: Fortsetzen, was uns in den ersten 129 Jahren seit Erfindung des Automobils stark gemacht hat. Ein wichtiger Aspekt dabei ist, dass wir mit Daimler, Volkswagen und BMW drei sehr starke Autohersteller in Deutschland haben. Wir drei stehen uns seit Jahrzehnten gegenseitig auf den Füßen, jeden Tag. Wir sind also „wettbewerbserfahren“. Und was die neuen digitalen Technologien angeht: Ja, da entstehen neue Schnittstellen und neue Wettbewerber. Aber es ist nicht so, dass Google überall besser wäre. In vielen Bereichen sehe ich uns vorn. Wir haben also Respekt vor Google, aber keine Angst.

Wo wir die Nummer eins sind, wollen
wir es bleiben; wo wir es nicht sind,
wollen wir es werden. Letztlich geht es
also um eine Haltung – und sie gehört zu Daimler
wie der Stern zum Mercedes.

Medien berichten immer wieder, dass heute ein Automobil für junge Menschen nicht mehr dieselbe Faszinationskraft ausstrahlt wie früher. Teilen Sie diese Einschätzung?
Nein, weil sie unzulässig verallgemeinert. Global gesehen halte ich sie für falsch – sonst müsste die weltweite Automobilnachfrage nicht zu-, sondern abnehmen. Man sollte differenzieren: Wenn man als junger Mensch in Berlin oder München, in Stuttgart oder Hamburg aufwächst, also in Großstädten, in denen es einen gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr gibt, aber wenig Parkplätze, dann muss man nicht zwangsläufig ein eigenes Auto „besitzen“, um mobil zu sein. Unsere Antwort darauf: Car2go und moovel. Beides kommt in den genannten Kundengruppen sehr gut an. Wenn man aber auf dem Land groß wird – mit reichlich Parkplätzen, aber ohne Busanbindung und car2go – und wenn dieses „Land“ möglicherweise noch in China liegt, dann sieht die Sache anders aus. Neben dem Mobilitätsaspekt kommt gerade in den neuen Wachstumsmärkten ein Status-Argument hinzu: Der „durchschnittliche“ S-Klasse-Kunde in China ist kaum 40 Jahre alt. Spricht das für eine nachlassende Faszinationskraft des Autos bei jungen Menschen? Ich denke nein.

Welche Möglichkeiten wird und/ oder muss die individuelle Mobilität von morgen Ihrer Meinung nach bieten?
Aus meiner Sicht gehört die Zukunft dem autonomen Fahren – zumindest da, wo das Fahren eher Last als Lust ist. Ich behaupte, das auto-nome Fahren ist mit dem Sprung von der Pferdekutsche zum Motorfahrzeug zu vergleichen. Denn diese neue Technologie hat enorme Konsequenzen für unser Leben. Zum einen bringt sie uns dem Ziel des unfall-freien Fahrens näher. Zum anderen verschafft sie uns etwas, was ge-rade für den modernen Menschen immer kostbarer wird: Zeit. Schon heute fühlen sich die meisten Menschen im privaten Raum eines Autos wohler als im öffentlichen Raum eines Busses oder einer U-Bahn. Wenn wir diesem Vorteil jetzt noch einen weiteren in Form nutzbarer Zeit hinzufügen – Zeit zum Arbeiten, zur Erholung, zur Information oder zur Unterhaltung, und alles, während man in den „eigenen vier Wänden“ sicherer denn je ans Ziel chauffiert wird – dann bieten wir unseren Kunden einen Riesen-Mehrwert. Und diese Chance werden wir nutzen.

Dr. Wolfgang Eckelt im Gespräch mit Dieter Zetsche | Top Company Guide

Welche beruflichen Perspektiven erwarten Absolventen und Young Professionals bei Daimler? Wie werden Talente im Konzern gefördert?
Wir sind ein globales Unternehmen mit weltweit angesehenen Marken. Entsprechend attraktiv sind die Möglichkeiten für junge Spitzenleute aus aller Welt: Ingenieure, Betriebswirte, Informatiker – wir bieten herausragenden Kandidaten die gesamte Bandbreite des Automobil-geschäfts und der angrenzenden Bereiche: von der Forschung und Entwicklung über den Einkauf und die Produktion bis zu Marketing und Vertrieb. Weil wir die Besten wollen, fördern wir nicht nur die fachliche, sondern auch die persönliche Weiterentwicklung – übrigens auch und gerade von weiblichen Top-Talenten. Dafür bieten wir unterschiedliche Programme an, darunter unser Traineeprogramm CAReer, systematische Mentorings oder auch Weiterbildungen im Rahmen unserer Daimler Corporate Academy.

Dr. Wolfgang Eckelt, High Performance | Top Company Guide